Kinder fördern heißt, sich auf das Kind einlassen.
„Eltern erwarten Erfolge“, weiß Wolfgang Reschke, „und den erwarte ich eigentlich auch.“ Erfolg, so ist er sicher, hat viele Mütter und Väter. Aber wie kommt man dahin?
Zunächst steht das Kind im Mittelpunkt, mit seinen Schwächen in Mathe und/oder Deutsch. Und solche Schwächen beeinträchtigen oft auch die Persönlichkeit, die Selbstsicherheit des Kindes.
„Ich suche zuerst nach grundlegenden Interessen des Kindes. Was macht ihm Spaß, was motiviert das Kind?“ Dazu hält Wolfgang Reschke in seiner Praxis viel Spielmaterial bereit. Mit dem Kind macht er sich auf die Suche, gemeinsam. „Ich bin nicht der Lehrer, der etwas von dem Kind will. Ich stehe auf seiner Seite. Und wenn wir dann einen Ansatz gefunden haben, dann wird es leicht, dann wird auch viel gelacht..“ Dabei greift er auch auf lebenspraktische Beispiele zurück. Beispiel Rechnen: Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft bekamen während der EM für jedes Weiterkommen Geld, aber wie viel am Ende? Die Neugier ist geweckt, und das Rechnen geht dann, na ja nicht ganz, wie von selbst.
Bei der Rechtschreibung ist es oft schwierig, etwas Passendes zu finden. Kinder konzentrieren sich zunächst eher auf den Inhalt und vernachlässigen die Orthographie. Wo hat das Kind Interessen, wo hat es Talente, was ist dem Kind wichtig? Tierliebe? Krimis? Fantasy-Romane?
„Persönlichkeitsnahe Themen sind der Schlüssel dafür, dass Kinder ans Schreiben kommen. Bei einem Mädchen stand die Tierliebe ganz oben, und es hat begonnen, Katzen-Fantasy-Romane zu lesen.“
Anlass kann auch sein, dass der Opa bald Geburtstag hat. Der soll ein Fotoalbum geschenkt bekommen, und da fehlen noch die Bildunterschriften …
„Ich improvisiere auch gerne“, lacht Wolfgang Reschke, „auch auf der Bühne. In meiner Freizeit habe ich Improvisationstheater gemacht.“ Und so schreiben er und ein Kind je fünf beliebige Wörter auf, Kind und Begleiter entwickeln abwechselnd Sätze, die eine abgeschlossene Geschichte ergeben sollen. Oder ein Junge soll eine beliebige Bewegung machen und dazu anschließend ein passendes Wort finden. Das ist der Beginn der Geschichte, der Junge findet nun den ersten Satz, der Begleiter den zweiten und so fort, bis die Geschichte abgeschlossen ist. „Das hat uns beiden viel Spaß gemacht, und manchmal entsteht eine Geschichte, die so unterhaltsam und pfiffig ist, dass sie veröffentlicht werden müsste!“ (s. Kasten)
Eine improvisierte Geschichte
Wollen wir spielen?
„Hallo“, sagte ich, als ich den Hörer des Telefons in die Hand nahm.
„Bist du es, du kleine Ratte?“ zischte es mir entgegen.
„Nein!“ schnauzte ich die anonyme Person an: „Ich heiße Frank.“
Nach einer kurzen, irritierenden Stille drohte es wieder aus dem Hörer: „Den Spruch kenne ich. Aber ich fall nicht mehr darauf rein. Um 6 Uhr rückst du die Piepen rüber!!!“
„Mama bist du es? Ich hab dir doch gesagt, ich spiele mit dir nicht mehr Räuber und Gendarm!“
„Och, schade, dann mach dir jetzt eine Wärmflasche und geh früh ins Bestt, damit du dich nicht erkältest. Bis bald mein Schnuffel!“
Zum Inhalt einer Geschichte gehört auch die korrekte Form, das heißt, Kinder korrigieren mit Hilfe ihres erworbenen Wissens die eigenen Texte.
„Wichtig ist natürlich die Unterstützung durch die Eltern. Je mehr sie sich auf den Lernprozess der Kinder einlassen, desto größer ist die Aussicht auf Erfolg!“
So hat ein Kind ein Sprachspiel mit in den Urlaub genommen, damit die Anreise im Auto nicht so langweilig ist. Die Eltern haben die Idee dankend angenommen und mitgespielt. „Sehr gut!“ lobt Wolfgang Reschke, „denn hier passiert ganz viel: Das Kind wird mit seiner Idee ernst genommen von den Eltern. Das ist ganz wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung, für die Selbstsicherheit. Das Kind erfährt: Ich kann was, ich bin wichtig.“ Und das ist, so glaubt der Pädagoge und Therapeut, der Schlüssel zu Erfolg. Und ihn freuen die Rückmeldungen von Eltern und Lehrern, die ihm genau dies bestätigen: Das Kind, das trotz lärmendem Umfeld sich nicht mehr ablenken lässt und konzentriert an einer Geschichte schreibt, oder das Kind, das sich nicht mehr von seinen Klassenkameraden verunsichern lässt, oder das Kind, das die Angst vor Gruppenarbeiten in der Schule verloren hat, um nur einige Beispiele zu nennen.
Und dass sich dann auch noch die Schulnoten verbessern, das erscheint dabei fast schon als Nebensache.
Uli Keip